„Beide Seiten müssen sich zusammenraufen“
Pressemitteilung aus der NRZ vom 25.10.2017
Mülheim. Jörg Dehm, ehemaliger OB in Hagen, warnt die Politik vor einem Dauerkonflikt. Die Teilnahme am Stärkungspakt dürfe nicht gefährdet werden.
Das Urteil ist klar und pointiert: „Hier gefährdet ein Stadtrat sehenden Auges die Zukunft der Stadt. Abenteuerlich!“ Das twitterte Jörg Dehm am Wochenende, nachdem klar geworden ist, dass der Stadtrat es nicht geschafft hat, einen genehmigungsfähigen Haushalt zu beschließen. Der 54-Jährige, der persönlicher Referent von Oberbürgermeister Jens Baganz war und 2003 Kämmerer in Dinslaken wurde, warnt im Gespräch mit der Redaktion die Politik davor, Richtungsentscheidungen anderen zu überlassen. „Das wäre ein Offenbarungseid der Politik“, sagt das CDU-Mitglied, das inzwischen als Politikberater bei Enerson tätig ist.
Er sieht von öffentlichen Schuldzuweisungen, die nur kontraproduktiv wären, und Ratschlägen an seine Partei ab.
„Beide Seiten müssen sich zusammenraufen und in den nächsten Jahren gemeinsam unangenehme Entscheidungen treffen.“ Es sei ein Prozess, der sich über mehrere Jahre erstrecke, Ruhe und Sachlichkeit benötige, Getöse und Aufregung seien schädlich. Es dürfe nicht zu einem Dauerkampf zwischen CDU und SPD kommen.
Beide müssten über ihren Schatten springen. Das ist ihm selbst nicht anders gegangen, als er in Hagen 2009 Oberbürgermeister wurde. „Ich bin als Sanierer angetreten, wollte die Gewerbesteuer nicht erhöhen, aber ohne Steuererhöhungen ging es nicht.“
Vor seiner Zeit war auch eine Art Sparkommissar von der Bezirksregierung eingeschaltet worden. Mentor nannte er sich seinerzeit. Der hat eine lange Liste mit Sparvorschlägen ganz ähnlich der der GPA erstellt, von denen sich einige als schräge Ideen erwiesen, weil sie in ihren Konsequenzen nicht bis zu Ende gedacht waren. „Am Ende war es ein ziemlicher Rohrkrepierer“, meint Dehm. Auch das Theater in Hagen samt Orchester stand zur Disposition, das mit 14, 15 Millionen Euro noch einen viel höheren Zuschussbedarf hat als das Theater an der Ruhr mit drei Millionen.
Aber Jörg Dehm ist auch der Ansicht, dass im Ballungsraum mit der reichen Kulturlandschaft auch intensiv über einen stärkeren Beitrag der Kultur nachgedacht werden sollte. Auch die hohen Sozialstandards bei Kita und OGS, die deutlich über dem Landesdurchschnitt lägen, könnten verträglich und mit Sensibilität gesenkt werden. In diese Richtung waren auch SPD und Grüne mit ihrem Antrag gegangen.
Das Problem sieht er in erster Linie nicht bei einem Sparkommissar, denn der werde in der Regel den Vorschlag des Kämmerers aufgreifen, sondern vor allem in der großen Bedeutung des Stärkungspaktes. „Auch wenn die Bedingungen vielleicht nicht optimal sind, ihn nicht anzunehmen, kann sich niemand leisten“, betont Dehm, und weist darauf hin, dass Hagen dadurch in relativ kurzer Zeit die Konsolidierung geschafft habe.
Eigentlich müsste sich das Land stärker engagieren, um der chronischen Unterfinanzierung aller Städte im Ruhrgebiet entgegen zu wirken, aber das sei auch bei der neuen Landesregierung nicht zu erwarten, die ebenso wie Rot-Grün selbst unter Druck steht. Doch durch den Stärkungspakt würde der Druck auf die Politik exorbitant steigen. „Manchmal kann es leider nur die zweit-, dritt- oder gar viertbeste Lösung sein“, sagt Dehm. Es nütze dann auch nichts, sich Ziele, etwa Grundstückserlöse, zu setzen, die man nicht einhalten kann, denn die werden im Stärkungspakt verbindlich.
Die meisten Vorschläge liefen auf Personalkürzungen hinaus. Das sei auch der Weg, den sie in Hagen gewählt hätten: möglichst konsequent niemanden mehr neu einzustellen, was zu Qualitätseinbußen führe, die Bürgern vermittelt werden müssten. „Dazu braucht die Politik oft die Traute.“